Wenn blaues Licht uns nicht schlafen läßt
Bis tief in die Nacht vor dem Fernseher oder Computer sitzen, vor dem Einschlafen noch ein Buch auf dem Ebook Reader lesen – für viele von uns der normale Weg, abends zur Ruhe zu kommen. Doch leicht fällt das Einschlafen danach trotzdem nicht. Oft liegen wir noch lange wach, wälzen Gedanken des vergangenen Tages oder können einfach nicht abschalten. Liegt das nur am Stress? Was passiert da eigentlich in unserem Kopf?
Die Frage, warum wir müde werden, beschäftigt die Menschheit schon lange. Bei meinen Vorträgen bekomme ich auf diese Frage meist die Antwort: „Weil wir am Tag viel getan haben und deshalb erschöpft sind.“ Das ist sicher ein Grund, aber viel wichtiger sind hormonell gesteuerte Abläufe in unserem Körper. Und genau die werden unter anderem durch Licht gesteuert.
Die Innere Uhr
Licht unterdrückt die Bildung des Hormons Melatonin im Suprachiasmatischen Nukleus (SCN), einer Struktur im Hypothamalus. Wird es dunkel, steigt die Konzentration von Melatonin im Blut und unser Körper beginnt mit der Ruhephase. Herz und Atmung werden langsamer, die Körpertemperatur sinkt, der Adrenalinspiegel fällt ab, unsere Konzentration wird weniger – wir werden müde.
Dieser Ablauf ist aber kein beliebiges An- und Ausschalten. Vielmehr wird über den SCN und das Melatonin ein periodisches System gesteuert, dass unseren Tag-Nacht-Rhythmus bestimmt. Dieses System ist unsere innere Uhr. Stellen wir uns diese Uhr als Pendel vor. Licht am Morgen stößt das Pendel an, es schwingt nach einer vorgegebenen Periode hin und wieder zurück. Nach etwa 25 Stunden sind wir wieder am Ausgangspunkt. Es sei denn, die Morgendämmerung war schneller und hat das Pendel zurückgesetzt. Auch die Abenddämmerung ist wichtig. Wird es abends später dunkel, kann sich der Schwung des Pendels verlängern und es kehrt nicht mehr rechtzeitig in seine Ausgangslage zurück.
Eigentlich ein tolles System, das unserem Körper erlaubt, sich mit dem immer wiederkehrenden Tag-Nacht-Rhythmus zu synchronisieren. Unser Körper bereitet sich so darauf vor, seine Ruhephase (in unserem Fall die Nacht) effizient zu nutzen und rechtzeitig zum Sonnenaufgang wieder betriebsbereit zu sein. Dieses System funktioniert so gut, dass fast alle Lebewesen es haben (mit Ausnahme von beispielsweisen blinden Höhlenfischen, in deren Leben es ziemlich egal ist, ob gerade die Sonne scheint oder nicht).
Licht ist nicht gleich Licht
Unserem Körper ist es erst mal egal, ob das Licht, an dem er sich orientiert, natürlich oder künstlich ist. Er interessiert sich nur für die Lichtfarbe denn nicht jedes Licht verhindert die Bildung von Melatonin, sondern vor allem blaues Licht (Cajochen et al., 2005). Blaues Licht findet sich in der Natur am stärksten morgens (Fotografen kennen auch die „blaue Stunde“), während das Abendlicht eher rötlich ist.
Und genau hier beginnt unser Problem. Benutzen wir abends blaues Licht, geht unser Gehirn davon aus, dass es früher Tag ist. Es wird kein Melatonin produziert, unser Körper bleibt auf Aktivität geschaltet und wir liegen wach.
Blaues Licht findet sich in kaltweißen LEDs, Flachbildfernsehern, Computermonitoren, Smartphone-Displays und Ebook-Readern. Christian Cajochen und seine Kollegen (Cajochen et al., 2011) konnten zeigen, dass der abendliche Gebrauch dieser Geräte uns wacher macht und unsere innere Uhr beeinflusst.
Kaltweiße LEDs mit einer Lichttemperatur von 6000 Kelvin werden auch gerne im Außenbereich eingesetzt, da sie sehr energieeffizient sind. Die erste Generation LED-Straßenbeleuchtung verwendete solche LEDs, da sie den Eindruck einer taghellen Umgebung erwecken und als vorbildlichen Beitrag für den Klimaschutz gewertet wurden. Anwohner empfinden dieses Licht oft als unangenehm. Die Ergebnisse der Forscher zur Wirkung auf die innere Uhr bringen sollten aber eine Warnung sein, dass kaltweiße Straßenbeleuchtung auch negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben kann.
Tipps zum besseren Schlaf
Sicherlich könnte man kaltweißer Außenbeleuchtung entgehen, indem man seine Fenster mit Lichtschutzrollos ausstattet. Die sperren aber auch die Morgendämmerung aus, die wir zur natürliche Synchronisation unserer inneren Uhr brauchen. Wer sich fragt, ob das so wichtig sei, überlege mal, wann ihm das Aufstehen leichter fällt: im Winter, wenn das Schlafzimmer morgens noch dunkel ist, oder im Sommer, wenn die Sonne aufgeht, bevor wir aufstehen müssen.
Wie also können wir uns gegen die negative Wirkung von kaltweißen LEDs auf unseren Schlaf schützen? Hier ein paar Tipps:
- Keine kaltweißen LEDs für die abendliche Beleuchtung oder als Leselampen nutzen. Hier bieten sich warmweiße LEDs mit ca. 3000 Kelvin oder Halogenlampen an. Halogenlampen haben ein ähnliches Spektrum wie Glühlampen oder Feuer.
- Für Computer gibt es inzwischen Programme, die die Lichttemperatur des Monitors in Abhängigkeit zum Sonnenaufgang anpassen. Der Bildschirm wird abends rötlicher. Wer farbsensitiv arbeiten muss, kann das Programm kurzzeitig ausschalten. Ich nutze das kostenfreie Programm f.lux.
- So entspannend Fernsehen sein mag, besser nicht bis kurz vorm Schlafengehen. Besser ist es, noch mindestens eine halbe Stunde bei rötlichem Licht zu entspannen. Die Zeit vor dem ins Bett gehen bietet sich auch an, die Gedanken des Tages zu Ende zu bringen oder mit einem netten Menschen zu sprechen. Dann ist der Kopf frei und man kann entspannter einschlafen.
- Das Schlafzimmer möglichst „natürlich dunkel“ halten, also künstliches Licht vor dem Eindringen schützen. Stockdunkel ist aber auch nicht gut. Zum einen fehlt dann das Licht der Morgendämmerung, zum anderen ist es nicht natürlich, im völlig Dunkeln zu schlafen. Wenn wir nachts aufwachen, können wir uns nicht orientieren, was ein unangenehmes Gefühl hervorrufen kann.
- Die innere Uhr gut synchronisieren: Nachts soll es dunkel sein, tagsüber hell. Also viel raus ins Sonnenlicht. Auch kaltweiße LEDs können hier helfen, nämlich wenn sie am Morgen eingesetzt werden und dem Körper deutlich machen: Es ist Tag, sei aktiv.
Quellen
Cajochen, C., Frey, S., Anders, D., Späti, J., Bues, M., Pross, A., … Stefani, O. (2011). Evening exposure to a light-emitting diodes ( LED ) -backlit computer screen affects circadian physiology and cognitive performance (March), 1432–1438. http://doi.org/10.1152/japplphysiol.00165.2011
Cajochen, C., Münch, M., Kobialka, S., Kräuchi, K., Steiner, R., Oelhafen, P., … Wirz-Justice, A. (2005). High sensitivity of human melatonin, alertness, thermoregulation, and heart rate to short wavelength light. Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism, 90(3), 1311–1316. http://doi.org/10.1210/jc.2004-0957
Beitragsbild mit freundlicher Genehmigung von Thomas Posch, Universität Wien, Autor von Das Ende der Nacht
Ursprünglich veröffentlicht am 9. Januar 2017 auf Nachhaltig Beleuchten bei WordPress.com