Fledermäuse im Licht: Gewinner oder Verlierer?
„Wartet, ich zeig euch was!“ Wir stehen auf einem Balkon und überblicken den nächtlichen Busch. Viktor, unser südafrikanischer Gastgeber, schaltet einen Scheinwerfer an der Hauswand ein. Wir müssen nicht lange warten, bis der erste Schatten durch das Licht huscht. Eine Fledermaus hat sich eingefunden, um die Insekten zu jagen, die von der Lampe angezogen werden. Bald kommt eine zweite hinzu und wir bewundern ihre brilliante Flugkunst.
Man muss nicht nach Südafrika reisen, um Fledermäuse an Lampen jagen zu sehen. Auch deutsche Arten haben künstliches Licht als Quelle für einen schnellen Imbiss entdeckt. Und so finden sich jede Nacht Abendsegler, Zwergfledermäuse und Breitflügelfledermäuse ein, um sich am reich gedeckten Tisch zu bedienen. Insekten werden vom Lampen wie Staubsauger angezogen und kreisen orientierungslos im hellen Licht. Viele Mottenarten verlieren sogar ihre natürlichen Abwehrflugmanöver gegen Fledermäuse. Gute Zeiten also für die fluggewandten Säugetiere.
Doch nicht alle Fledermausarten reagieren positiv auf Licht. Langsam fliegende Arten wie Mausohren, Langohrfledermäuse, Hufeisennasen, Bottas Fledermaus und die Bechsteinfledermaus meiden das Licht. Grund hierfür ist möglicherweise die Verknüpfung von Licht mit der Gefahr durch tagaktive Greifvögel.
Die unterschiedliche Reaktion auf Licht kann Auswirkungen auf die Artenzusammensetzung in einem Gebiet haben. Lichttolerante Arten finden bessere Futterquellen, was beleuchtete Bereiche attraktiver macht. Lichtscheue Arten werden nicht nur in der Wahl ihrer Jagdgebiete eingeschränkt, sondern müssen auch noch damit fertig werden, dass die Insekten aus der Dunkelheit an die Lampen gezogen werden. Dies mildert die Überlebenschancen der lichtscheuen Fledermäuse.
Diese haben dann oft noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen: beleuchtete Quartiere. Geeignete Quartiere sind in Europa inzwischen schwer zu finden. Oft siedeln Fledermäuse in Kirchen. Die werden wiederum gerne angestrahlt. Vor allem seit Außenbeleuchtung durch LEDs günstiger geworden ist, werden immer mehr Kirchen beleuchtet – mit fatalen Folgen für ihre Bewohner.
Fledermäuse in beleuchteten Kirchen fliegen später am Abend aus. Das verkürzt nicht nur die Zeit, die ihnen zur Jagd zur Verfügung steht, sondern verschleißt ihnen auch die beste Jagdzeit. Am Abend ist die Insektendichte nämlich am höchsten und die Jagderfolge am besten. Vor allem für Mütter mit Jungtieren wird dies zur Belastung. Bei Mausohren konnte gezeigt werden, dass Jungtiere in beleuchteten Quartieren leichter und kleiner waren als ihre Altersgenossen in unbeleuchteten Wochenstuben.
In manchen Fällen werden Quartiere vollständig aufgegeben, so geschehen in der größten Mausohren-Kolonie Ungarns mit 1000 bis 1200 Weibchen, nachdem eine Außenbeleuchtung installiert worden war. Eine Untersuchung von Quartieren in Kirchen in Schweden zeigte, dass es seit 1980 35 Prozent der Quartiere des Braunen Langohrs aufgegeben wurden. Alle diese Quartiere waren zwischenzeitlich mit Außenbeleuchtung ausgestattet worden.
Fatal kann es enden, wenn direkt in den Quartieren beleuchtet wird. Karl Kugelschafter berichtet vom Tod mehrerer tausend Großer Mausohren, nachdem das Licht innerhalb der Kirche angelassen worden war.
Damit sind die Auswirkungen künstlicher Beleuchtung doch noch nicht am Ende. Forscher am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung konnten zeigen, dass Rauhautfledermäuse und Mückenfledermäuse bei ihren Wanderungen über die Ostsee von grünem Licht angezogen werden. Da wandernde Fledermäuse kaum fressen lag der Grund hierfür wohl weniger in der anwesenden Insekten, als an der Attraktivität des Lichtes an sich. Die damit verbundenen Umwege können sich jedoch negativ auf den Energiehaushalt der Tiere auswirken.
Beleuchtete Strukturen bergen noch ein weiteres Risiko für lichttolerante Fledermäuse. In der Dunkelheit orientieren sich die wendigen Flieger durch Echolot. Bei Licht schalten sie dieses jedoch ab. Noch ist nicht klar, ob das Licht das Echolot wirklich stört, bekannt ist aber, dass Fledermäuse oft mit beleuchteten Strukturen wie Funkmasten zusammenstoßen. Möglicherweise werden sie vom Licht geblendet. Punktuelles, grelles Licht kann im Säugetierauge zu einer Blendung von bis zu 10 Minuten führen. Daher ist Sicherheitsbeleuchtung auch möglicherweise schädlicher als Skyglow oder Mondlicht.
Deutschland hat 22 einheimische Fledermausarten, die alle auf der Roten Liste stehen. Für ihr Überleben brauchen sie ausreichend Insekten, gute Jagdgebiete wie Kleingewässer und ungestörte Quartiere. Viele Fledermäuse werden zudem im Straßenverkehr getötet und leider gibt es noch immer Menschen, die Fledermäuse mutwillig töten oder ihre Quartiere zerstören. Nun verlieren sie auch ihren zeitlichen Lebensraum, die Nacht. Zwar scheint es einige Gewinner durch künstliche Beleuchtung zu geben, doch auch das ist umstritten. Die britische Fledermausforscherin Fiona Mathews fürchtet, dass lichttolerante keine wirklichen Vorteile durch die Beleuchtung haben. Und langfristig könnte das Futter knapp werden, da die Insekten nicht zuletzt durch künstliche Beleuchtung schwinden.
Genug Gründe, bei der Beleuchtung an Fledermäuse zu denken. Hilfreich für Fledermäuse sind genau die Maßnahmen, die auch anderen Tieren und dem Menschen helfen: Licht nach unten richten, wo es gebraucht wird und nicht in den Himmel oder zur Seite. Warmes Licht verwenden, dass weniger Insekten anzieht. Lichtintensität auf das Notwendige reduzieren und abschalten oder dimmen, wenn kein Bedarf besteht. Besondere Vorsicht ist angebracht an Orten, die wichtig für Fledermäuse sind: Waldränder, Gewässer und Gebäude mit Fledermausquartieren. So sollte sich jede Gemeinde überlegen, ob es wirklich nötig ist, die Dorfkirche oder die Burg zu beleuchten. Fledermäuse haben unseren Schutz verdient. Denn sie sind nicht nur zauberhafte Kobolde der Nacht, sondern auch wichtige Helfer bei der Reduzierung von Schädlingen in der Landwirtschaft.
Mehr Informationen über Fledermäuse finden sich in meinen Infoskript „Auswirkungen künstlicher Beleuchtung auf Fledermäuse„
One Reply to “Fledermäuse im Licht: Gewinner oder Verlierer?”
Eigentlich ist es ja kompletter Wahnsinn, mit wievielen unnatürlichen Einflüssen sich die Tierwelt zurechtfinden muss. Auf unserem Balkon wohnt ein Hornissenvolk und die sonst so freundlichen Viecher drehen komplett durch, wenn z.B. Grillabend und auch bei Dunkelheit noch unnatürlich Beleuchtung ist. Kann einem echt immer leid tun. VG, Andree