Während des Vogelzugs im Frühling und Herbst herrscht reges Treiben im nächtlichen Luftraum. Millionen von Vögeln nutzen die ruhigen Luftströmungen für eine Reise, die meist tausende Kilometer beträgt. Wie sie dabei ihren Weg finden ist noch nicht geklärt, doch nach heutigem Wissen nutzen sie dabei Landmarken, den Sternenhimmel und das Magnetfeld der Erde.
Obwohl die Vögel bei Nacht fliegen, spielt Licht eine wichtige Rolle. Verschiedene Laborstudien zeigten, dass Singvögel Licht brauchen, um die korrekte Zugrichtung zu finden. Dabei schien es erst, als würde rotes Licht die Magnetorientierung stören, doch das konnte nicht bestätigt werden. Stärker belegt ist die Vermutung, dass Zugvögel blaues Licht und UV-Licht nutzen, um ihren Kompass zu kalibrieren.
Nicht nur Zugvögel fliegen nachts, auch Seevögel wie Möwen, Albatrosse, Sturmtaucher und Alke sind jetzt unterwegs. Inwieweit sie Licht zur Orientierung nutzen ist nicht geklärt, doch eines haben all die Nachtschwärmer gemeinsam: Licht zieht sie an.
Leuchtturmwärter wissen das schon lange. In stürmischen Nächten kollidieren tausende Vögel mit ihren Türmen. In der heutigen Zeit kommen noch mehr nächtliche Lichtquellen hinzu. Egal ob an der Küste oder im Inland, überall leuchten Städte, Industrieanlagen und historische Gebäude. Selbst unsere Meere sind hell erleuchtet. Auf Bohrplattformen wird rund um die Uhr gearbeitet, die Fischereiflotten benutzen gigantische Scheinwerfer, um Fische anzuziehen.
Warum auch immer, Vögel werden von diesen Lichtern magisch angezogen. Sie fliegen Umwege von mehreren Kilometern, um dann entweder im Licht gefangen zu sein oder oder mit der beleuchteten Struktur zu kollidieren. In meinem Artikel Lichtverschmutzung und Vögel – Teil 1: Flug in den Tod habe ich mehr dazu geschrieben.
Weniger Vogelschlag mit der richtigen Lichtfarbe?
Das Max-Planck-Instituts für Ornithologie und der Leuchtenhersteller Philips Lighting wollten herausfinden, ob die Farbe des Lichts eine Rolle spielt (Poot et al. 2008). Könnte man mit der richtigen Farbe die Zahl der angezogenen Vögel reduzieren?

Sie beleuchteten eine Gasförderplattform in der Nordsee mit weißem, blauen, grünen und rotem Licht und beobachteten die Flugbahnen der Vogelschwärme. In der Tat zeigten sich Unterschiede im Flugverhalten: Weißes Licht zog die meisten Vögel an, gefolgt von rotem Licht. Am besten schienen sich die Vögel im blauen Licht orientieren zu können, im grünen war es geringfügig schlechter.
Die Autoren vermuteten eine Erklärung in der Magnetorientierung von Vögeln. Laborstudien hatten gezeigt, dass sich Rotkehlchen in rotem Licht nicht korrekt orientieren konnten. Die Lösung schien auf der Hand zu liegen: Blaues Licht würde die Zahl der Vogelschläge reduzieren.
Allerdings hätte es gesundheitliche Konsequenzen, wenn Menschen nachts unter blauem Licht arbeiten, denn dieses Licht unterdrückt die Bildung des Nachthormons Melatonin. Daher sprachen die Autoren die Empfehlung aus, Off-Shore-Plattformen und Häfen mit grünem Licht zu beleuchten. Diese Empfehlung wird an vielen orten umgesetzt. Ein Sieg für den Vogelschutz?
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und eine Studie noch keine Lösung

Eine Grundregel der Wissenschaft ist es, dass eine Studie allein nicht aussagekräftig ist und die Frage nach der besten Lichtfarbe für Vögel bestätigt das. Insgesamt vier weitere Studien untersuchten den Einfluss der Lichtfarbe im Nordosten der USA (Evans et al. 2007), in der Nordsee (Rebke et al. 2019), in China (Zhao et al. 2020) und in Singapur (Tan et al. 2024). Sie alle kamen zu einem ganz anderen Urteil als Poot und Kollegen. Grünem und blaues Licht zog um ein Vielfaches mehr Vögel an als rotes Licht. In den USA schienen die Vögel fast überhaupt nicht auf rotes Licht zu reagieren. Nur in einem waren sich alle Studien einig: Weißes Licht zog die meisten Vögel an.
Sehr konkret konnte das an einem Gebäude in China gezeigt werden. Dort kollidierten bis zu 70 Vögel pro Tag (einschließlich der Nacht) mit einem blau-grün gestrichenen Gebäude, dass nachts angeleuchtet wurde. Nachdem das Gebäude gelb gestrichen wurde wurde kein einziger Vogelschlag mehr verzeichnet (Wang et al. 2011).
Blaues Licht hilft bei der Orientierung, kann aber in den Tod führen
Auffällig ist, dass es in stürmischen Nächten zu deutlich höherem Vogelschlag kommt. Möglicherweise suchen die Vögel aufgrund des fehlenden Sternenhimmels aktiv nach blauhaltigem Licht, um ihren Magnetkompass zu kalibrieren. Sie werden dann im hellen Scheinwerferlicht gefangen und wagen nicht, in die gefühlt totale Dunkelheit zu fliegen.
Nach heutigem Wissensstands ist grünes Licht also keineswegs weniger attraktiv für Vögel. Im Gegenteil: Die vermehrte Umrüstung von Küstenbereichen mit grünem Licht erhöht das Kollisionsrisiko für Vögel. Leider wird nach wie vor vor allem die Studie von Poot et al. genannt, die anderen Studien sind weniger bekannt oder werden von den Leuchtenherstellern, die grünes Licht verkaufen, ignoriert.
Nichtsdestotrotz ist auch rotes Licht nicht ungefährlich, denn es werden immer noch viele Vögel angezogen. Es reduziert lediglich deren Anzahl. Wichtig ist eine grundsätzlicher Frage, wann und wo wir beleuchten. Das Lights Out Programm der Audubon Society setzt ich dafür ein, dass US-amerikanische Großstädte während der Zugzeit die Beleuchtung ihrer Hochhäuser abschalten.

Ein Mythbuster mit Quellenangaben, Zahlen und mehr Hintergrundinformation kann hier heruntergeladen werden.