Lichtverschmutzung und Vögel – Teil 1: Flug in den Tod
Es ist wieder soweit. Wie in jedem Herbst ziehen Millionen Vögel von ihren Brutgebieten in den Süden. Mit dabei sind viele Jungvögel, die die lange Reise zum ersten Mal antreten. Viele werden ihr Ziel nicht erreichen. Denn auf dem Weg in die Wärme lauern viele Gefahren.
Zuerst einmal ist da die Tatsache, dass Zugrouten nicht selten tausende Kilometer lang sind. So fliegt der nur neun Gramm schwere Fitis-Laubsänger über das Mittelmeer bis ins tropische Afrika. Auf dem Weg dahin warten nicht nur Raubvögel, sondern auch die Netze und Kochtöpfe von Vogelfängern. Eine andere Gefahr wird jedoch oft vergessen: künstlich beleuchtete Strukturen.
Viele Zugvögel fliegen nachts. Durch die kühleren Temperaturen ist die Luft dann ruhiger und die Vögel müssen weniger mit Turbulenzen kämpfen. Auch sind weniger Raubvögel unterwegs als am Tag. Wie Vögel dabei ihren Weg finden, ist noch nicht ganz geklärt. Sie nutzen drei Methoden: Mond und Sterne, das Magnetfeld der Erde und Landmarken. Licht spielt dabei eine große Rolle, denn Vögel können sich an Sternen und dem polarisierten Licht der Himmelskörper orientieren. Zudem ist der Magnetkompass mit dem Sehsinn gekoppelt. Laborversuche haben gezeigt, dass rotes Licht den Magnetkompass stört.
Fliegen Vögel nun über Städten, haben sie Orientierungsprobleme. Der Elektrosmog und die Beleuchtung schwächt den Magnetsinn, sie sind also auf Sichtflug angewiesen. Die künstliche Beleuchtung der Städte überstrahlt das natürliche Licht. Die meisten Vögel folgen nun dem hellsten Licht – das ist aber nicht mehr der Mond, sondern ein beleuchtetes Hochhaus oder ein großer Scheinwerfer.
Nächtliche Beleuchtung tötet Millionen von Vögeln
Das Ergebnis ist oft tödlich. 2013 berechnete das Forscherteam um Travis Longcore, dass in Nordamerika jährlich fast 7 Millionen Vögel durch Kollisionen mit beleuchteten Funktürmen getötet werden. Dem gegenüber stehen. 140.000 bis 328.000 Vögel, die an Windrädern ums Leben kommen. Dazu kommen noch ungezählte Vögel, die mit beleuchteten Hochhäusern kollidieren. Das Fatal Light Awareness Program (FLAP) Kanada forderte in den 80er Jahren die Betreiber von Hochhäusern auf, in den Zugzeiten die Gebäudebeleuchtung abzuschalten. Die meisten machten mit, denn es war ein einfacher, aber effizienter Beitrag zum Umweltschutz. Das Projekt war ein Erfolg, die Zahl der toten Vögel sank.
Dennoch ist heute nur wenigen Menschen bekannt, dass beleuchtete Gebäude eine Todesfalle für Vögel darstellen. Licht wird immer großzügiger als Dekorationsmittel eingesetzt. Manchmal in gigantischen Mengen. So findet jährlich sieben Tage lang in Manhattan das Tribute in Light statt, zum Gedenken an die Opfer des 11. September 2001. Dabei strahlen 88 Scheinwerfer, jeder 7.000 Watt stark, zwei blaue Lichtstrahlen in den Himmel – ein beeindruckendes Schauspiel. Doch das Tribute hat ökologische Folgen. Eine Untersuchung über sieben Jahre ergab, dass etwa 1,1 Millionen Vögel aus einem Umkreis von 1,5 Kilometer durch die Lichtstrahlen angezogen wurden. Manhattan liegt auf einer der Haupt-Zugrouten und Anfang September herrscht hier viel Luftverkehr.
Bereits beim ersten Tribute of Light wurde das auf tragische Weise klar. Tausende von Vögel kreisten im Lichtschein, oft stundenlang. Viele kollidierten miteinander oder mit Gebäuden. Es ist unklar, wie viele starben, doch auch hier gehen die Schätzungen in die Tausende. Die Veranstalter zogen Konsequenzen. Inzwischen überwachen Freiwillige der Audubon Society den Himmel. Befinden sich zu viele Vögel im Lichtkegel, werden die Scheinwerfer abgeschaltet, bis sich alle wieder entfernt haben. Seitdem sind kaum noch tote Vögel gefunden worden.
Doch auch kleinere Lichtinstallationen kosten Vogelleben. Am 15. Oktober 2019 kollidierten 300 Schornsteinsegler mit der NASCAR Hall of Fame in Charlotte, USA. Mehr als 100 davon starben, weitere 100 wurden tierärztlich versorgt. In den Medien begann die Diskussion über die Gründe, Vogelschützer sind sich indes sicher, dass die hell beleuchtete Fassade die Ursache ist. Solche Ereignisse sind bekannt, immer wieder sterben tausende von Vögel in einer einzigen Nacht an hell beleuchteten Gebäuden. Einzelfälle berichten von bis zu mehr als 50.000 toten Vögeln innerhalb einer Nacht an nur einem starken Scheinwerfer.
Selbst wer dem Licht entkommt bleibt nicht ohne Schaden
Selbst für die Vögel, die dem Tanz im Licht entkommen, ist die Gefahr noch nicht vorbei. Die Tiere sind geschwächt und benötigen längere Ruhepausen. Rastgebiete für Zugvögel liegen inzwischen näher an Großstädten, auch dann, wenn sie ökologisch nicht besonders geeignet sind. Die Vögel bleiben länger in diesen Gebieten, was die dortigen Ressourcen stärker belastet, auch zum Nachteil für die Tiere und Pflanzen vor Ort. Durch die längeren Pausen kommen die Vögel verspätetet an ihrem Ziel an – möglicherweise zu spät, um einen geeigneten Nistplatz zu finden.
Idealerweise würden wir auf Hochhausbeleuchtung verzichten. Toronto hat bereits gezeigt, dass dies zumindest saisonal möglich ist. In Frankreich und Bayern ist es gesetzlich vorgeschrieben, in den Nachtstunden zumindest öffentliche Bauten und Denkmäler abzuschalten. Dennoch steigt die Zahl der beleuchteten Hochhäuser. Auch in Bezug auf den Stromverbrauch ist das eine bedenkliche Entwicklung.
Lichtverschmutzung gefährdet auch Seevögel
Doch selbst die Weltmeere bleiben nicht verschont. Lichtverschmutzung gilt als zweitgrößte Gefahr für Seevögel wie Albatrosse und Sturmvögel, noch vor Klimawandel und Plastikmüll. Vor allem Jungvögel sind betroffen. Deren erster Flug findet nachts statt und sollte eigentlich hinaus aufs Meer führen, wo sie den Rest des Jahres verbringen werden. Die Lichter der Küstenstädte und Häfen locken sie jedoch zurück an Land wo sie erschöpft landen und nicht selten Opfer von Katzen, Hunden oder Autos werden.
Auf offener See kollidieren Vögel mit beleuchteten Bohrinseln oder werden von den Scheinwerfern großer Fischereiflotten angezogen. In einem Fall kenterte ein Fischerboot, nachdem 6.000 Schopfalke, Verwandte des Papageientauchers, auf ihm landeten.
Einige Strukturen müssen auch aus Sicherheitsgründen beleuchtet sein, dazu zählen Funktürme, Windräder und Bohrinseln. Auch Industrieanlagen sind oft die ganze Nacht hindurch beleuchtet, selbst wenn nicht gearbeitet wird. Die Anlagen sind oft mit energieeffizienten Natriumdampflampen beleuchtet. Werden die abgeschaltet, müssen sie abkühlen und können erst nach 15 Minuten wieder eingeschaltet werden. Ein Problem bei Sicherheitsbeleuchtung.
Die australische Biologin Kellie Pendoley setzt sich für umweltschonendere Beleuchtung ein. Sie empfiehlt Industrieanlagen die Umrüstung auf LED, da diese beliebig oft und schnell ein- und ausgeschaltet werden können. Und, so ihre Erfahrung, diese LEDs sollten orange sein, nicht weiß.
Die Lichtfarbe kann eine Rolle spielen
Bereits Laborversuche zeigten, dass Vögel unterschiedlich auf Lichtfarben reagieren. Rotes Licht stört den Magnetkompass. Daher testete ein Forscherteam in Kooperation mit Philips den Einsatz von grünem Licht auf Bohrinseln. Die Ergebnisse waren vielversprechend, es wurden weniger Vögel angezogen. Zwei andere Studien mit höheren Stichproben konnten diese Ergebnisse aber nicht bestätigen. Sowohl Zugvögel wie auch Seevögel reagierten am wenigsten auf rotes Licht.
Rotes Licht hat weitere Vorteile: es ist weniger attraktiv für Insekten, Fledermäuse und Meeresschildkröten, beeinflusst nicht die Hormonproduktion der meisten Tiere, einschließlich uns Menschen, und blendet weniger. Zu bedenken ist dennoch, dass jedes Licht negative ökologische Folgen hat. Beleuchtung sollte daher nur dort erfolgen, wo sie aus Sicherheitsgründen benötigt wird. Eine hell erleuchtete Skyline, so beeindruckend sie auch sein mag, sollte nicht das Leben tausender Vögel wert sein.
Quellen:
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Titelbild: von Imageduniya – Own work, CC BY-SA 4.0, Link