
Sternenhimmel und Astronomie
Für die einen sind die Sternbilder große Helden, unglückliche Geliebte, machtgierige Menschen, Ungeheuer oder mächtige Wesen, die über uns wachen. Für andere sind sie Symbole der Gesetze, nach denen die Menschen leben sollen. Der Himmel ist der Sitz Gottes im jüdischen, christlichen und islamischen Glauben, und auch viele pantheistische Völker sehen ihn als Wohnort höherer Wesen. Unzählige Geschichten wurden in den Jahrtausenden um die Herd- und Lagerfeuer erzählt, zum Zeitvertreib, aber vor allem um die Werte und Gesetze der eigenen Kultur weiterzugeben.
Diese Verbindung zu Sternenhimmel und Nacht hat auch die Künstler der letzten Jahrhunderte inspiriert. Auch wenn Dunkelheit oft gleichgesetzt wird mit dem Bösen oder Rückständigkeit, wird die Nacht oft als Zeit zur Ruhe und Besinnung gesehen. Sie ist der Gegenpol zum hellen, geschäftigen Tag. Ohne die Dunkelheit der Nacht, so Friedrich Nietzsche, würden wir vergessen, was Licht wäre.
Wer jemals eine natürliche Nacht erlebt hat, weiß, dass sie nicht völlig ohne Licht ist. Dem Mondlicht liegt ein ganz eigener Zauber inne, und die Sterne spenden Inspiration, Kraft und Hoffnung. Die Nacht ist mehr als das Fehlen von Licht, sie hat ihre ganz eigenen Farben und eine Magie, die kein Kunstlicht ersetzen kann.
„Ich weiß nichts mit Sicherheit, aber die Sterne lassen mich träumen.“
Vincent van Gogh

Das älteste Kulturgut der Menschheit verblasst
Der Sternenhimmel ist das älteste Kulturgut der Menschheit und wird von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützt. Doch die meisten Menschen in Europa und Nordamerika schauen kaum noch hinauf. Kein Wunder, denn für 99% der Menschen in diesen Gebieten verschwinden die Sterne im Schein von Kunstlicht. Skyglow, so der Fachbegriff, erhellt unseren Himmel so sehr, dass die Milchstraße und der Großteil der Sterne verschwinden.
Doch auch wenn wir nur wenige Sterne mit bloßem Auge sehen und kaum jemand ihre Namen mehr kennt, haben sie für uns noch Bedeutung. Außergewöhnliche astronomische Ereignisse wecken Interesse bei vielen Menschen, nächtliche Führungen in den Sternenparks sind schnell ausgebucht und bei Veranstaltungen in Sternwarten drängen sich Menschen um die Teleskope. Dabei spielen weder Alter, Geschlecht, Hautfarbe oder Bildungsstand eine Rolle. Im Schein der Sterne sind wir alle gleich.
„Wenn Du zu einer Sternen-Führung gehst und diese Eins-zu-eins-Interaktion im Dunkeln hast, bist du anonym, es gibt keine kulturellen, rassischen, gesellschaftlichen oder klassenmäßigen Barrieren zwischen dir und den anderen. Die Leute werden offener für Ideen, denen sie tagsüber vielleicht direkt widersprechen würden.“
John Barentine, Dark Sky Berater

Die Sterne weisen den Weg in eine zukunftsfähige Gesellschaft
Besonders bei Kindern zeigt sich die Faszination für Sterne. Für viele ist die Astronomie der erste Kontakt mit Naturwissenschaften und Technik. Mir gab sie Kraft, mich durch die vielen trockenen Physikstunden zu kämpfen. Irgendwann, dachte ich, irgendwann komme auch ich zu den Sternen.
Leider bleiben nur wenige der Faszination treu, vielleicht weil der Blick in die Sterne vom eigenen Wohnort oft frustrierend ist. Bei all der Lichtverschmutzung ist einfach nicht viel zu sehen. Statt in den Nachthimmel zu schauen, blicken Millionen Menschen lieber auf den Bildschirm und verfolgen die Abenteuer des Millenium Falken, des Raumschiffs Enterprise oder eine der vielen anderen Science-Fiction-Geschichten. Sie erlauben uns von Welten und Wesen zu träumen, denen wir selbst lieber nicht begegnen möchten. Oder sie zeigen uns eine Zukunft, in der die Menschheit endlich begriffen hat, wie sinnlos all unsere Kriege sind und was wir vereint erreichen könnten, wenn wir Gier und Hass loslassen.
Warum fliegen wir jetzt in den Weltraum? Nun, warum haben wir uns die Mühe gemacht, über den nächsten Berg hinauszuschauen? Unsere wichtigste Verpflichtung uns selbst gegenüber ist es, das Unbekannte bekannt zu machen. Wir sind auf einer Reise, um eine Verabredung mit dem einzuhalten, was auch immer wir sind..
Gene Roddenberry, Schöpfer von Raumschiff Enterprise

Der Blick in die Sterne lässt uns unseren Platz im Universum begreifen
Für manche wird der Traum von den Sternen wahr. Staatliche Astronautinnen und Astronauten nehmen große Risiken auf sich, nicht aus reiner Abenteuerlust, sondern damit ihre Forschung uns das Leben auf der Erde besser verstehen lässt. Viele Forschungsprojekte aus Materialforschung, Psychologie und Medizin wären auf der Erde nicht möglich.
Astronominnen und Astronomen erforschen die unendlichen Weiten des Weltraums von ihren Observatorien aus. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich unser Weltbild grundlegend geändert hat. Der Mensch steht nicht im Zentrum der Schöpfung, das Universum dreht sich nicht um die Erde. Wir sind Teil eines großen Ganzen und unser Planet ist klein und sehr zerbrechlich. Wir müssen Verantwortung übernehmen für die Konsequenzen unseres Handelns. Es gibt keinen Ort, zu dem wir flüchten können, wenn wir unsere Lebensgrundlage hier zerstören. Wir müssen auf unserer Zuhause aufpassen.
„Wenn hier unten kein Licht ist stellt sich jeder die Frage, was ist eigentlich da oben? Warum leuchten Sterne? Wo sind wir denn überhaupt im Raum?“
Stefan Wallner, Astrophysiker

Interessanterweise bringt diese Wissen weniger Verzweiflung als Hoffnung. Menschen, die den Sternenhimmel betrachten, finden dort Kraft und Zuversicht. Er verbindet Menschen aus aller Welt. Vielleicht erinnert uns das Wissen, dass alle Menschen die selben Sterne sehen daran, dass wir nicht allein sind. Wer eingehüllt bleibt in die Lichtglocke seiner Stadt, sieht nur noch seine eigene Welt, seine eigenen Probleme. Unsere Welt wird kleiner.
„Als ich jung war träumte ich von den Sternen. Wenn ich die Sterne betrachtete und mir vorstellte, dass Kinder auf der ganzen Welt zu den selben Sterne hinauf sehen, weitete das meine Perspektive mehr als jede andere Erfahrung, die ich damals in der Gemeinde, in der ich lebte, machen konnte.“
Lori Rader-Day, Krimiautorin

Lichtverschmutzung von oben – und jede Menge Weltraumschrott
Doch Astronomie hat auch sehr pragmatische Gründe. Sie hat uns Menschen dazu gebracht, in tausende Kilometer Höhe zu fliegen und den Orbit zu erobern. Ohne Astronomie gäbe es keine Satelliten und damit kein GPS, kein Satelliten-Fernsehen und deutlich schlechtere Wettervoraussagen. Eine Leben ohne Satelliten können wir uns kaum noch vorstellen.
Allerdings sind es genau diese Satelliten, die eine neue Art von Lichtverschmutzung erzeugen, denn sie reflektieren Sonnenlicht auf die Nachtseite der Erde. Für Hobbyastronomen ist dies ein Ärgernis – vergleichbar mit Graffiti auf der Mona Lisa. Für die astronomische Forschung bedeuten die Satelliten störende Lichtstreifen auf den Langzeitaufnahmen. Diese lassen sich zwar aufwändig herausrechnen, doch dabei geht immer Information verloren, möglicherweise auch eine frühzeitig Sichtung eines Asteroiden auf Kollisionskurs. Ob das zusätzliche Licht Einfluss auf die Orientierung von Vögeln und Insekten haben kann, wird zur Zeit noch erforscht.
Starlink-Satelliten im Nachhimmel sind so ästhetisch wie Graffiti auf der Mona Lisa
Foto: Langzeitbelichtung mit Venus und Starlinksatelliten von Mike Lewinski, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Die wachsende Zahl von Satelliten birgt eine andere Gefahr. Bereits jetzt ist es voll im Orbit. Ausweichmanöver werden ungern geflogen, denn sie kosten Treibstoff und verkürzen die Lebenszeit der Satelliten. Kommt es zu einer Kollision entstehen unzählige Trümmerteile, die wie kleine Geschosse durchs All jagen und andere Satelliten oder Raketen treffen können. Bereits jetzt ist die Erde von einem Gürtel aus Weltraumschrott umgeben. Je dichter der Schrotthaufen wird, desto häufiger kommt es zu Kollisionen bis keine Satelliten mehr fliegen können. Ade GPS, ade Satelliteninternet. Raumfahrt wird dann auch unmöglich.
Zugegeben, dass klingt dramatisch, ist bei der menschlichen Fähigkeit, alles mit Müll zu füllen leider sehr realistisch. Nicht all der Müll bleibt oben, die Starlink-Satelliten z. B. treten am Lebensende in die Atmosphäre ein. Dort verglühen sie zu feinem Staub – und greifen die Ozonschicht an.
Wem die leuchtenden Starlink-Satelliten nicht futuristisch genug sind, der kann auf eine Neuerung der Werbebranche hoffen. Seit Jahren ist im Gespräch, mit Satelliten Werbebotschaften in den Nachthimmel zu schreiben. Dann sehen wir demnächst vielleicht an einem abgelegenen Ort beim gemütlichen Lagerfeuer über uns nicht mehr nur Orion und den Großen Wagen, sondern auch den Schriftzug von Coca-Cola. Prost!